Wanderruderfahrt auf der Mosel 2025 oder „Mit Murphy unterwegs“
Alles beginnt an einem schönen Sonntagmorgen im Juni (29.6.25). 11 RGler und zwei Boote machen sich auf den Weg an die Mosel. Die Boote heissen „Otto Hahn“ und „Wolkenstein“, die Menschen Siggi und Klaus, Petra und Harald, Herbert Diehl, Anna Schneider, Andrea Dentler, Beatrice, Mirco Melega, Martin Brüggemann und Bettina Gerner. Aufgeladen hatten wir schon am Vortag, so dass die Abfahrt pünktlich und reibungslos hätte erfolgen können. Beim Anhänger ankuppeln fällt uns allerdings auf, dass kein passender Adapter dran ist. Nachdem einige potentielle Adapterbesitzer nicht erreichbar sind, kommt Bärbel extra von zuhause angefahren und bringt uns einen. Vielen Dank dafür, liebe Bärbel!
Wir kommen ohne weitere Zwischenfälle in Riol an der Mosel an, Beatrice und ihr Mann Torsten erwarten uns schon. Nach dem Aufriggern und Vorbereiten der Boote nehmen wir einen kleinen mitgebrachten Snack ein und wollen dann starten. Es ist Sonntagnachmittag: Motorboot- Wasser- und Jetskifahrer jagen am Steg vorbei, es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis wir auf dem Fluss sind und losfahren können. Kein Wunder, dass auch das Wasser kabbelig ist, wir ständig anhalten oder uns in eine den Wellen angemessene Richtung stellen müssen. Ein etwas mühsamer Start.
Die Fahrt führt uns vorbei an teils bewaldeten Hängen, steilen Weinbergen und malerischen Örtchen. So langsam entfernen wir uns vom Trubel um Riol und nähern uns nach etwa acht Kilometern der Sportbootschleuse Schleich. Diese Sportbootschleusen sind so eine Sache: Erst muss man von aussen einen Hebel bedienen, um den Schleusenvorgang anzuschalten, dann langsam reinfahren, irgendwo festhalten, Platz fürs zweite Boot machen, nach dessen Einfahrt nochmal den Hebel ziehen und los geht’s – vielleicht…
Die Bootskammer ist schmal, so dass die Boote in sehr spitzem Winkel drin liegen und die Skulls auf einer Seite lang sind. Siggi, Klaus, Mirco, Harald und Petra sind als erste reingefahren. Auf dem Weg in die Kammer will Steuermann Martin unser Boot mit dem Paddelhaken sichern und macht eine etwas überschiessende Bewegung. Da gibt’s kein Halten mehr: Martin, Schlagmann Herbert, Bettina, Andrea und Beatrice auf der 1 gehen über Bord. Zum Glück noch vor der Kammer! Herbert taucht vor mir auf; normalerweise trägt er Brille und die Haare zurückgekämmt, jetzt sieht er plötzlich ganz jugendlich aus: Langes Pony, keine Brille, verschmitztes Grinsen. „Schwimmen wollten wir heute doch sowieso noch...“ lautet sein Kommentar. Wir können das Boot ohne weiteres umdrehen und übergeben es an ein nettes Pärchen mit Motorboot, die mit in die Schleusenkammer fahren und helfen, alles zu stabilisieren. Beatrice und Herberts Sonnenbrillen sowie der Wahrsager für den ersten Tag werden Neptun am Schleusengrund geopfert, und wir begeben uns zu Fuss auf die andere Seite der Schleuse. Gekennzeichnet durch grünen Algenbelag an Hemd und Hose. In dem ganzen Szenario ist Beatrice ausdrücklich positiv zu erwähnen. Sie hat auf ihrer ersten Wander- und Schleusenfahrt zwar ihre Sonnenbrille, aber nie ihre Haltung verloren und ist tapfer lächelnd und klatschnass wieder ins Boot gestiegen.
Wir fahren noch circa 16 km bis nach Leiwen zum Nachtlager, wo die nächste Überraschung wartet: Herbert findet seinen Autoschlüssel nicht mehr. Das sorgt für einige Unruhe, weil es eigentlich unerklärlich ist, wo er sein könnte. Das Abendessen bei einer herben Moselschönheit mit ihren beiden exotischen Mitarbeitern fällt etwas unentspannt aus. Der Moselwein ist warm und geschmacklich keiner Region zuzuordnen, die Saucen der verschiedenen Gerichte haben alle irgendwie Sahne drin und passen nicht zu den Namen, die sie tragen. Wir bleiben positiv, die Lage vom Hotel ist super – direkt am Fluss – und weil Gastronomen und Gäste an der Mosel gegen 21h ins Bett gehen, setzen wir uns noch ein bisschen ans Ufer und geniessen den Ausblick.
Am nächsten Morgen kommt der ADAC, öffnet Herberts Auto und findet den Autoschlüssel NICHT im Kofferraum. Das bedeutet: Reise nach Hause, Zweitschlüssel holen, aber: Der Bus springt nicht an! Der darin befindliche Kühlschrank hat der Batterie den Saft abgezogen. Ein netter Nachbar hilft schnell aus, die erkältete Andrea fährt im Bus mit Herbert nach Erlensee und wir anderen rudern mit einem leeren Sitz unsere fast 30 km nach Bernkastel. Es muss einfach jedes Mal wieder betont werden: Das Wandern auf dem Wasser ist unvergleichlich schön! Wir sehen Land- und Ortschaften aus einer ganz anderen Perspektive und in einem für die Sinne angemessenen Tempo. Die amerikanischen Ureinwohner haben ja mal behauptet, dass die Reisegeschwindigkeit mit dem Kayak der der Seele entspreche und somit Körper und Geist gleichzeitig am Ziel ankommen können….
Gerade an der Mosel gibt es sehr viel zu sehen; hier befinden sich die steilsten Weinberge Europas, teilweise kleinste Parzellen, die von Terrassenmauern gestützt werden und deren Bewirtschaftung oft nur von Hand geleistet wird. Wir haben sogar welche gesehen, die nur vom Boot aus erreicht werden können. Hier entsteht nicht nur guter Wein, es wird auch eine Jahrhunderte alte Kulturlandschaft gepflegt.
In Bernkastel wohnen wir mitten in der Altstadt im „Moselblümchen“. Eine verschachtelte Herberge unter Führung einer Sikh-Familie. Die vielen kleinen Fenster erlauben das Durchlüften – ein Umstand, der bei den durchgehend heissen Temperaturen sehr wertvoll ist. Das Abendessen hatten wir am Vorabend schon bestellen müssen, und es hat sich gelohnt. Frisch zubereitet, regional, mit leckerem Wein und gutem Service in einer traditionell moselländischen Gaststätte.
Am dritten Tag erwartet uns schnell wieder eine Schleuse, das heisst: Martin ist raus. Keiner will freiwillig ein Bad mit ihm nehmen – und sei es noch so erfrischend. Martin macht häufiger Land- und Transportdienst und erwartet uns an diesem Tag in Traben-Trarbach mit einem üppig gedeckten Tisch beim Ruderclub. Martins bekannt hoher Standard wird auch hier wieder gehalten!
Die schon morgens hohen Temperaturen erfordern eine Änderung, das heisst Verkürzung der täglichen Ruderstrecke. So viel Wasser wie verdunstet, kann man gar nicht trinken. Pinkelpausen sind seltener, Leistungsfähigkeit und – willen ebenfalls reduziert. Wir bleiben also in Traben-Trarbach und ruhen uns am Nachmittag etwas aus, bevor wir am Abend die „Zunftscheune“ stürmen. Ein uriges Gemäuer, vollgestopft mit Trödel aus verschiedenen Epochen. Um Beatrice, Anna und Andrea formiert sich eine Eis – und Eiscafe-Fangruppe. Mal so richtig wie im Urlaub: Bummeln, Eis essen, durch´s Städtchen schlendern – aber nur kurz!
Wir beschliessen, nicht nur an dem einen Tag, sondern grundsätzlich den Schongang einzulegen, das heisst, eine kürzere Strecke zu rudern. Am besten morgens und abends, wenn es nicht ganz so heiß ist.
Am Morgen brechen Siggi, Klaus, Harald und Mirco auf zu neuen Ufern. Wo die sich befinden, wissen wir noch nicht genau, alldieweil die angegebenen Stege nicht immer geeignet zum Anlegen sind. Anna, Herbert, Martin und ich wollen uns auf dem Landweg dorthin begeben. Wir fahren und laufen auf Stege, Brücken, steinige Ufer – unsere Freunde sehen keine günstige Gelegenheit zu landen. Auf diese Weise machen wir (also jedenfalls Martin und ich) Bekanntschaft mit der Welt des Campens. Meistens Holländer haben am Moselufer ihre Wagenburgen errichtet. Der Blick auf die nächste Blechwand, unterbrochen von einem Grill und zwei gemütlichen Campingstühlen reicht aus zum Glücklichsein. Auf die Holländer kommen wir noch zu sprechen.
Schließlich finden wir einen tollen Steg zum anlegen – und auch eine direkt daneben befindliche Cafebar. Hier empfangen wir die Ruderer und entspannen uns bei Wein und Kaffee. Herbert, Mirco, Anna und Bettina geniessen ein Bad in der Mosel. Perfekt! Wir fühlen uns wieder jung! Mirco steht wie ein italienischer Gran Signore in den Fluten; wir trällern Schlager von Mireille Mathieu und Caterina Valente – mit italienischem Timbre. Es fehlt noch ein Cinzano, aber den gibt’s hier nicht! Auf dieser Wanderfahrt machen nicht immer alle alles zusammen, und dennoch herrscht eine gute und harmonische Stimmung.
Andrea, Siggi und Beatrice beschliessen, in einem schattigen Park Minigolf zu spielen und danach im Hotel zu bleiben. Klaus, Herbert, Harald, Andrea und Bettina rudern gegen Abend nach Reil, um die Boote zusammenzubringen. Martin und Mirco könnt ihr auf dem schönen Foto bewundern. Sie warten mit kühlem Wein und guter Laune in einem schönen Weingarten voller Blumen auf uns.
Wir starten bei blauem Himmel mit ein paar Wölkchen. Unser dynamischer Schlag wird auch nicht durch die auf dem Weg befindliche Sportschleuse gestört. Wir dürfen in die große Schleuse fahren und bekommen zu spüren, was es bedeutet, durchgeschleust zu werden: Rein, durch, raus! Jetzt wirds lustig. Der Wind frischt auf; aus den Wölkchen werden Wolken und dann graue Wände. In der Ferne hören wir Donnergrollen, unsere Blätter werden vom Wind verrissen und die Wellen tragen kleine Schaumkronen. Klaus kann als Steuermann endlich seine seemännische Klasse an den Tag legen; Anna sitzt tapfer auf der 1 und kommentiert das Ganze hin und wieder mit kleinen, spitzen Schreien, bei denen man nicht weiss, ob sie Entsetzen oder Entzücken zum Ausdruck bringen sollen. Mittschiffs herrscht Disziplin, wir kommen nach rasanter Fahrt erfrischt in Reil an. Der fürs Abendessen erwählte Wirt hatte bei Windstärke 8 Angst um seine Gartenmöbel, wir essen also drin. Italienisch, sehr nett, entspannt und lecker!
Am nächsten Tag haben wir die Hoffnung, an der Aldegunder Schleuse wieder mit den großen Schiffen fahren zu können, aber hier bietet sich ein ganz anderes Bild: Ein großes Passagierschiff ist gegen das Schleusentor gefahren, da geht nichts mehr! Wir müssen durch die Sportschleuse fahren. Gemessen am Schicksal der armen Kreuzfahrer eine gute Alternative – und: Für unsere weitere Reise flussabwärts freie Fahrt….
Wir wollen einzeln durch die Schleuse fahren, das erste Boot kann sie zügig passieren, das zweite kommt und kommt nicht raus. Wir (die Wartenden) machen uns langsam Sorgen und fragen ein paar Holländer, die mit Kayaks unterwegs sind und aus der Schleuse ausgefahren sind. Sie behaupten, kein Deutsch zu verstehen. Später erfahren wir, dass sie keinerlei Rücksicht auf unsere durch Erlebtes verunsicherten Mitruderer genommen, sich in perfektem Deutsch über sie mokiert und dann auch noch vorgedrängt haben. Da fehlt einfach ein Herbert S. im Boot!
Der gemeine Holländer mag ja sympathisch sein, diese sind es nicht, und sie sollten bestraft werden. Geen overtreding! Wir denken über eine passende Vergeltung nach. Mirco findet, man solle ihnen während eines Landgangs Teelichter ins Boot stellen und beobachten, wie sie langsam versinken, ich habe Abstand genommen von der Idee des Teerens und Federns von einer Brücke aus. Zu aufwändig, eine neue Idee muss noch reifen.
Auf der weiteren Fahrt kommen wir an der Klosterruine Stubben vorbei. Die beeindruckende Kulisse eines Frauenklosters der Augustiner, gegründet um 1130, gibt Zeugnis davon, wie lange das Moseltal schon besiedelt ist und wie viele Kunst- und Kulturschätze hier zu bestaunen sind. Am Strand davor lagern die Holländer, auf der anderen Uferseite erhebt sich der Calmont – der Heisse Stein, anfangs erwähnt als Europas steilster Weinberg. Hammer! Sagt Anna!
Es fällt schwer, nicht ins Detail zu gehen, so vieles Interessante könnte beschrieben werden…
Ein weiterer Rudertag führt uns vorbei an malerischen Städtchen und imposanten Hängen. Das schönste Städtchen heisst „Beilstein“ und danach kommt auch noch ein „Ernst“. Wir schicken schonmal Grüße voraus.
Da wir an den meisten Tagen eine etwas kürzere Strecke gerudert sind, endet die Wanderfahrt nicht bei Koblenz, sondern an der Rudergesellschaft Treis-Karden. Hier landen beide Boote wohlbehalten und werden von Herbert und Bettina in Empfang genommen. Abriggern und Aufladen ist schnell erledigt. Zum Abschied kehren wir noch im Treiser Biergarten ein und stärken uns vor der Heimreise.
Ein herzliches Dankeschön geht an Petra und Harald für den Bus, an Herbert für seinen T-Roc, an Anna für die guten Unterkünfte, Siggi und Klaus für die übrige Orga und allen anderen für ein gutes und fröhliches Miteinander. Manchmal sind Herausforderungen auch dazu geeignet, ihnen gute Laune entgegenzusetzen.
Hipp-hipp-Hurra, Bettina