Wanderfahrt 2023 auf der Weser

Wanderfahrt 2023 auf der Weser

Bericht von Bettina:
Vom 20. bis zum 26. Mai waren 16 RGler auf  Wanderfahrt auf der Weser.

Am Samstag, dem 20.5. starten folgende abenteuerlustige RGler zur Wanderfahrt auf der Weser: Klaus Stall, Herbert Schächtele, Herbert Diehl, Andrea Dentler, Adele Wernze, Chris Hesse, Nicola und Jürgen Maibaum, Mirko Melega, Anna Schneider, Bernd Priemer, Martin Brüggemann und Bettina Gerner.

Als Boote werden die „Mollebusch“ und die „Wolkenstein“ mitgeführt. Dank sorgfältiger Vorbereitung am Vorabend haben wir auch wirklich ALLES dabei!

Die Fahrt in Harald Beckls und Martins aufgerüsteten Bussen verläuft reibungslos, so dass wir am frühen Nachmittag in Hann. Münden ankommen und noch die geplanten 20km bis nach Höxter fahren können. Als erstes nehmen wir auf dem Gelände des Rudervereins einen kleinen Snack am Flussufer ein. Danach geht´s los!

Obwohl wir ja nicht als Leistungsträger antreten wollen oder können, geht’s gleich sportlich zur Sache. Von der starken Strömung auf der Weser hatte man uns ja bereits erzählt, aber dass es so rasant werden würde…
Kurz nach Einsetzen und Queren des Flusses in Münden sollen wir die erste von insgesamt zwei (!) Schleusen durchfahren, hierfür müssen wir erneut das Ufer wechseln.
Die große Fliessgeschwindigkeit treibt die „Mollebusch“ schnell weg vom kleinen Schleusentor in Richtung Wehr; so schnell, dass sie für die Wolkensteinbesatzung außer Sicht gerät und deren Steuermann Herbert Diehl sich mittels Paddelhaken geistesgegenwärtig am Uferbewuchs festklammert.
Jetzt können wir „in Ruhe“ die Weiterfahrt planen, während es – wie wir später erfahren – Annas beherztem Einsatz zu verdanken ist, dass ihr Boot nicht zu nahe ans Wehr getrieben wird. Sie steigt aus und hilft vom Ufer aus, wieder Ordnung ins Boot zu bringen.  Wie wir noch öfter erfahren dürfen, ist die Geschwindigkeit des Wassers häufig schneller als die der Boote, so dass das Steuer nicht zielführend genutzt werden kann und es des gut koordinierten Miteinanders der gesamten Bootsbesatzung bedarf.

Die anschließende Fahrt ist wunderschön. Obwohl wir über längere Strecken nur mit halber Kraft rudern, kommen wir schnell voran. An beiden Ufern ist die Weser von Wald gesäumt, die Atmosphäre ist märchenhaft, ruhig und beschaulich. Wir fahren an hübschen kleinen Weserdörfchen vorbei, es gibt viele Buhnen am Ufer, die fast alle besiedelt sind.
Von Erpel-Wohngemeinschaften, gemischten Gruppen von Stockentenerpeln und Nilgänsen, von einzelnen Kanadagänsen und: Reihern! Die überwältigende Menge von Geschichten und Berichten von Flora und Fauna aus den vergangenen Wanderfahrten hat auch vor ihnen nicht haltgemacht:
Es gibt also laut RG im Wesentlichen drei Arten von Reihern:
Den „Wiedemann“, den „König“ und den „Diehl“. Die Beschreibung dieser schönen Tiere ist angelehnt an die Anatomie ihrer Namensgeber.
Der „Wiedemann“ trägt den Hals S-förmig gekrümmt, gewissermaßen den Kopf zwischen den Schultern und hat dadurch einen etwas hinterhältigen Ausdruck.
Der „König“ hält sich mehr oder weniger aufrecht und schaut geradeaus – und der „Diehl“ imponiert durch eine langgestreckte Körperhaltung. Kopf hoch und Hals lang!
Bei unwissenden Neu-Wandernden wirft der Ruf: „Guck mal, ein Jung-Diehl!“ erstmal Fragen auf, aber nach und nach schließen sich die Wissenslücken…
Außer ein paar Kanadier Fahrern begegnen uns am ersten Tag weder Wassersportler noch andere Schiffe. Die Kanuten kommen uns beim Anlegen ein bisschen in die Quere, sie übernachten im gleichen Hotel wie wir und legen bei der morgendlichen Abreise auf dem Parkplatz ein ähnlich kompliziertes Verhalten an den Tag.
Abends gönnen wir uns nach 20 locker geruderten Kilometern ein opulentes griechisches Abendessen am Flussufer. Das Abendlicht spiegelt sich auf dem glatten Wasser der Weser, und wir freuen uns auf den nächsten Tag.

Am zweiten Tag treffen wir während einer - eigentlich ungeplanten - Mittagspause auf Harald und Petra. Harald steigt am „Gasthaus zur alten Linde“ ins Boot und Petra erwartet uns im Hotel in Holzminden. Der „Weserhof Schwager“, eine ehemalige Hafen- und Wehranlage mit Turm und schönen Zimmern mit Weserblick. Im Flur des Hotels hängen alte Fotos aus den Fünfzigerjahren mit Abbildungen der frühen Weser-Dampfschifffahrt.
Die „Kronprinz Wilhelm“, ein Raddampfer, nahm nach dem Krieg als erstes den Linienbetrieb als Personendampfer wieder auf. Auf dem Weg zum Biergarten treffen wir einen älteren Herrn,der uns erzählt, dass auch sein Vater damals bei den staunenden Zuschauern am Steg zugegen war. Man kann ihn auf dem Foto sehen. Der Herr zeigt seiner Frau Stätten seiner Kindheit, indem die beiden den Weserradweg nutzen. Wäre es nicht IM Fluss am schönsten zu reisen – Radfahren an der Weser scheint auch sehr reizvoll zu sein. Fast in jeder Biegung schöne Städtchen, Schlösser, Klöster und Parks.
Um eine dieser Anlagen zu besichtigen, ist ein „Kulturtag“ geplant, und wir wollen zum Kloster Corvey fahren.
Aber vorher geht’s noch in den benachbarten Biergarten. Jetzt ist auch Siggi mit von der Partie!
Mit dem Biergarten ist´s so eine Sache: Sie wissen nicht so recht, ob und wie sie uns bewirten wollen. Dann kommt „Sabine“, sie nimmt die Sache in die Hand und ermöglicht zeitnahe Bestellung und Erhalt von Kaltgetränken und Kulinarik. Mit letzterer ist es sowohl in NRW als auch in Niedersachsen gar nicht so einfach: Am besten, man stellt sich auf Strammen Max oder Moritz ein. Das gibt’s immer. Weil Sabine so beflissen war, rechnet Anna ihr unsere einzelnen Deckel samt Wechselgeld aus, und Sabine ist glücklich, so spät am Abend nicht mehr lange grübeln zu müssen.

Die Fahrt zum Kloster Corvey am nächsten Tag gestaltet sich sehr interessant. Auch Herbert Schächtele hat sich in der Hoffnung auf ein süffiges Corveyer Bier dazu entschlossen, mitzukommen. Als einziger mit einer soliden Lateinausbildung (früher als Jurist unerlässlich) wird er dann auch von Herrn Moritz, ein Geschichtslehrer und jetzt unser „Führer“ zu vielen Inschriften und Texten befragt. Unser Herbert ist um keine Antwort verlegen.
Das Kloster Corvey ist sehr beeindruckend! 2014 ist es zum Weltkulturerbe der UNESCO ernannt worden. Außer dem Benediktinerkloster selbst besichtigen wir die imposante Bibliothek und später die in ihren Anfängen befindliche Landesgartenschau.
Während der Führung vom sehr kompetenten – allerdings auch etwas Oberlehrerhaften – Herrn Moritz erfahren wir viele historische Details – über Heilige (heiliger Stephan und heiliger Vitus) und Weltliche (Kaiser Karl und Sohn), über die Christianisierung in Europa (Missionare gingen von Corvey nach Norden und Osten (Sachsen) und auch über Bildung und Kunst.
Herr Moritz fragt uns, was wohl Vorbilder für den europäischen Kirchenbau gewesen sein könnten, was man dachte, wie eine Kirche wohl auszusehen habe… Beim Betreten des quadratischen Chors der Basilika kann man sich vorstellen, dass die Baumeister sich an architektonischen „Erinnerungen“ aus den Katakomben Roms orientiert haben.
Im Turm sind Wandmalereien mit Szenen aus der Odyssee dargestellt, die gerade restauriert wurden. Das Zusammenkommen von archäologischen, bauhistorischen und kirchlichen Besonderheiten ist ebenso wie die beeindruckende Bibliothek wirklich einen Besuch wert, sogar einen mit ein bisschen Zeit, um alles in Ruhe zu betrachten.
Die Landesgartenschau ist noch nicht fertig gestaltet und angepflanzt, und Martin kann ja auch nicht so weit laufen.  Daher entscheidet sich ein Teil der Gruppe für einen kühlen Weißwein im Liegestuhl unter einem großen schattigen Baum im Schlosspark. Der Himmel zieht sich zu, und ein Gewitter kündigt sich an. Mit den ersten dicken Tropfen erreichen wir das Hotel; nach Duschen und Umziehen ergießen sich Sturzbäche über die Straße zum Biergarten.
Im Foyer gibt’s zum Glück Schirme, so dass die Stätte des abendlichen Beisammenseins halbwegs trocken erreicht werden kann. Durch den Regen hat es sich stark abgekühlt, Sabine lässt eine Markise runter und schaltet dankenswerterweise die Heizstrahler an.

Am nächsten Morgen sind die Boote vollgeregnet. Nach Ausschöpfen erfolgt wieder ein dynamisches Ablegen auf der schnellen Weser. Die Steuerleute sind hier echt gefordert.
Die Weser verläuft jetzt in einem weiteren Tal mit landwirtschaftlich genutzten Flächen an beiden Seiten. Häufig stehen Schafherden oder Kühe direkt am Wasser – schöne Bilder. Die Boote fahren an imposanten Felsformationen vorbei nach Bodenwerder, der Heimat des „Baron von Münchhausen“. Lügengeschichten werden hier natürlich großgeschrieben.
Andrea und ich finden eine schummrige Kaschemme am Flussufer, die wir aus nicht ganz ersichtlichen Gründen fürs Mittagessen auswählen.
Hier wird richtig professionell gelogen: Dass es Hefeweizen vom Fass gebe, zum Beispiel.
Naja, tut der Stimmung keinen Abbruch. Wir fahren mit den Bussen nach Hameln ins „Hotel zur Post“ (Gewinner der sauren Gastronomie-Zitrone 2023).

Die Geschichte der Stadt Hameln ist aufs Engste mit der Rattenfänger Saga verknüpft.
Der Pfeifer im bunten Gewand und die Ratten bestimmen das Stadtbild: Als Pflasterstein, Denkmal, Schnaps und Museum. Im Hohen Mittelalter habe ein junger Mann – nachdem ihm der versprochene Lohn für die Befreiung der Stadt von einer Rattenplage von den Oberen der Stadt nicht ausgezahlt worden war – 130 Kinder aus der Stadt gelockt. Sie wurden nie mehr gesehen.
Es gibt verschiedene Deutungen dieser Geschichte, eine davon erklärt das Verschwinden der Kinder durch die Pest, eine andere vermutet, es habe sich um ein Abwerben junger Menschen für die Besiedlung deutscher Ostgebiete gehandelt. Vielleicht wollten diese jungen Menschen der düsteren Enge ihrer Heimatstadt mit ihrem geizigen und verlogenen Bürgermeister entfliehen und haben sich natürlich – einmal in Pommern oder Siebenbürgen gelandet – nie mehr gemeldet.
Solche Traumata können über Generationen wirken und erklären vielleicht auch das traurige Verhalten der Dame am Empfang der „Post“. Vielleicht hätte sie auch gerne woanders gelebt oder zumindest in anderer Gesellschaft und wiederholt deshalb ständig: „Ich bin hier ganz alleine, da kann ich Ihnen nicht helfen, und morgen ist es auch schwierig, das schaff ich nicht….“
Am Abend speisen wir bei einem gemütlichen Mexikaner und teilen die Ruder- und Kulturzeiten neu auf. Das bedeutet am fünften Tag nochmal einen halben Tag zur Besichtigung der Stadt. Bernd, Nicola und Jürgen sind am Morgen bereits abgereist.

Der halbe Rudertag gestaltet sich feucht-fröhlich. Feiner Nieselregen begleitet uns die ganze Zeit . Ebenso wie ein kleiner Junge mit großem Regenschirm, der mit seinem Vater in einem Plastikkanadier unterwegs ist. So eine Art „Armer Poet“ im Boot.  Petra, unsere Steuerfrau, wird diese Fahrt jedenfalls nicht vergessen: Nachdem sie wiederholt auf ein entgegenkommendes Schiff auf unserer Seite aufmerksam gemacht hatte und wir der Meinung waren, dass der Kapitän schon ausweichen werde, tat er genau das nicht und rauschte hupend bis auf wenige Meter an uns heran. „Den Steuermann solle man über Bord werfen und ob wir denn bescheuert wären“ ließ er uns hören. Nun, weder noch! Die Regeln, mit denen sich dieses Manöver erklären ließe, bleiben uns bis zum heutigen Tag verborgen. Man muss halt immer „mit allem rechnen“, gelle!
Am Nachmittag genießt jede/r die Zeit nach eigenem Gusto. Massage, Kaffeetrinken, Stadtbummel oder Museumsbesuch. Sehr zu empfehlen ist das „Rattenfänger Museum“, Heimat von „Rita der Flauschigen“ (Ratte). Die verlässt ihren Wohnsitz und kommt in Andreas Handtasche mit auf die Wanderfahrt.

Am nächsten Tag geht’s weiter zum Doktorsee. Petra und ich suchen auf dem Campingplatz verzweifelt eine aus unserer Sicht geeignete Anlegestelle.  Die Erstbeste war am Ende die Richtige, wir bewundern die einfahrende Truppe vom Rinteler Wassersportverein aus. Dort gibts dann noch ein paar Bier und ein schönes Pas-de-Deux von Chris und Klaus, bevor wir zur letzten Übernachtung in Rinteln aufbrechen. Diesmal beherbergt uns ein Siebziger-Jahre-Turm direkt am Fluss mit einer prachtvollen Aussicht über das Wesertal.
Noch ein letztes Mal Max und Moritz in der gemütlichen Kneipe, ein leckeres Frühstück im Turm, und los geht’s zur letzten Etappe bis nach Minden. Der Fluss ist jetzt ruhiger, und wir haben ordentlich Gegenwind. Es kommen nochmal alle „Weserbesonderheiten“ vorbei: Wald, Kühe, Reiher, Buhnen, alte Fährhäuser – und hoch oben das „Kaiser-Wilhelm-I-Denkmal“ bis wir am frühen Nachmittag in Minden diese schöne Wanderfahrt beenden und zufrieden nach Hause fahren.

Danke an alle für Einsatz (hahaha), Planung, Harmonie, Flexibilität und Humor.

Besonders natürlich wie immer an Siggi und Klaus. Es gibt noch viel zu sehen, legen wir an...

Samstag - Hann. Münden - Bodenfelde

Sonntag - Bodenfelde - Holzminden

Montag - Ruhetag (Kloster Corvey und Landesgartenschau Höxter)

Dienstag - Holzminden - Bodenwerder

Mittwoch - Bodenwerder - Hameln

Donnerstag - Hameln - Rinteln

Freitag - Rinteln - Minden